Die Ärzteschaft verlangt bei der Cannabislegalisierung eine Gewissensentscheidung von den Bundestagsabgeordneten unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit. Es gehe um "eine wichtige gesellschaftliche Weichenstellung", die ethisch und fachlich äußerst umstritten sei, erklärte Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt am Freitag in Berlin. Er warnte vor weitreichenden Folgen. Die Ziele des Gesetzes stünden im eklatanten Widerspruch zur internationalen Erkenntnislage. Statt einer Legalisierung seien Aufklärung und Prävention nötig.
Laut Regierungsentwurf könnten Erwachsene künftig zum Eigenkonsum bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen und drei Cannabis-Pflanzen zuhause anbauen. Außerdem sollen Cannabis-Clubs mit bis zu 500 Mitgliedern die Droge gemeinschaftlich anbauen dürfen. Der Bundestag wird möglicherweise schon kommende Woche abschließend über den Gesetzentwurf entscheiden.
"Die geplante Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken ist nicht nur aus ärztlicher Sicht abzulehnen, auch innerhalb der Ampel-Koalition gibt es Vorbehalte und gute Argumente gegen die Freigabe in der geplanten Form", sagte Reinhardt. "Deshalb ist es richtig, wenn das Parlament über dieses Gesetz in namentlicher Abstimmung entscheidet." Bereits im Dezember hatte ein Bündnis von Fachverbänden alle Abgeordneten persönlich gebeten, das Gesetzvorhaben zu stoppen. Zu den Verbänden gehörten die Ärzteschaft, die Kinder- und Jugendärzte, die Psychiater, Apotheker, Lehrer, Juristen, sowie die Polizei und die Kriminalbeamten. Auch die Mehrheit der Eltern in Deutschland sieht laut Umfragen die Legalisierungspläne kritisch.
Die Freigabe verharmlose eine Droge, "die nachgewiesenermaßen abhängig macht und zu schweren Entwicklungsschäden führen kann - gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen", sagte Reinhardt. Er verwies auf unheilbare Schäden im Entwicklungsprozess des Gehirns bis zum 25. Lebensjahr. Es drohten Psychosen, Depressionen und Angststörungen.
Unterdessen kritisierte auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat das Vorgehen der Regierungsparteien. Es gebe immer noch keine belastbaren Regelungen, um Verkehrsunfälle unter dem Einfluss von Cannabis zu verhindern, erklärte Präsident Manfred Wirsch. "Cannabis-Konsumenten muss unmissverständlich klar gemacht werden, dass eine berauschte Teilnahme am Straßenverkehr kein Kavaliersdelikt ist." Bei eindeutig drogenbeeinflussten Verkehrsteilnehmern müsse die Fahreignung überprüft werden, bevor sie jemanden verletzen oder töten könnten. Vor einer Abstimmung müsse deshalb eine entsprechende Regelung vorgelegt werden. (KNA)