Positionspapier des Familienbunds der Katholiken zu Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit aus familienpolitischer Perspektive

Familien denken über Generationen hinaus und übernehmen Verantwortung füreinander im Jetzt und für eine gute Zukunft. Daher beschäftigen sie die Fragen des Klimawandels und die damit verbundenen Fragen der sozialen Gerechtigkeit.

Die klimatischen Veränderungen sowie die ergriffenen Gegenmaßnahmen verstärken bestehende soziale Ungleichheiten.  Menschen, die wenig Einkommen haben tragen deutlich weniger zum Klimawandel bei.1 Sie sind jedoch überproportional von dessen Folgen betroffen. Auch die Möglichkeiten zur Anpassung an die zunehmende Erderwärmung, die damit verbundenen Umweltveränderungen und die politischen Antworten sind von den verfügbaren Ressourcen und Zugängen abhängig. Aus Sicht des Familienbundes kommt es deshalb darauf an, bei der nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft auch soziale Fragen zu berücksichtigen - damit aus der Klimakrise keine Krise der sozialen Gerechtigkeit wird. Die Situation von Familien in ökonomisch schwierigen Lebenslagen muss dabei besonders im Blick sein.

Als Familienverband wollen wir die Erde in ihrer biologischen Vielfalt für nachfolgende Generationen bewahren und die Lebensgrundlagen für die kommenden Generationen erhalten und sichern. Nachhaltigkeit ist für uns eine Frage der Generationengerechtigkeit, der Lebensgrundlagen von Familien und der Verantwortung gegenüber der Schöpfung. Das bedeutet, dass wir für Maßnahmen eintreten, die den Klimawandel eindämmen und die Übernutzung und Zerstörung von Ressourcen beenden.

Für uns als Katholiken ist Klimagerechtigkeit auch eine theologisch begründete Notwendigkeit. Unsere Leitlinien sind dabei die Bewahrung der Schöpfung  das sozialethische Prinzip des Gemeinwohls sowie die starke Rolle von Familien, wie sie Papst Franziskus immer wieder beschreibt.2 Dabei geht es auch um die Frage, inwieweit wir für eine nachhaltige Gesellschaft unseren Begriff von Wohlstand und unsere bisherige Konsum- und Wachstumsorientierung zugunsten des Gemeinwohls und kommender Generationen neu definieren müssen: “Ohne eine Solidarität zwischen den Generationen kann von nachhaltiger Entwicklung keine Rede mehr sein. (…) Wenn die Erde uns geschenkt ist, dann können wir nicht mehr von einem utilitaristischen Kriterium der Effizienz und der Produktivität für den individuellen Nutzen her denken. Wir reden hier nicht von einer optionalen Haltung, sondern von einer grundlegenden Frage der Gerechtigkeit, da die Erde, die wir empfangen haben, auch jenen gehört, die erst noch kommen.“3

Erhalt und Schutz einer lebenswerten Erde liegen für uns im unmittelbaren Interesse von Familien und Kindern. Wir sehen es daher auch als eine familienpolitische Aufgabe an, sich verantwortungsvoll um unsere Erde zu kümmern und sie für kommende Generationen zu erhalten. Dabei ist es uns ein Anliegen, kommenden Generationen die Welt möglichst besser zu hinterlassen, als wir sie vorgefunden haben und zu verdeutlichen, dass wir uns als Teil der Schöpfung und Natur begreifen und handeln müssen.

Als Familienverband setzen wir uns im Diskurs über Klimagerechtigkeit und den sozial-ökologischen Wandel bewusst für eine positive Zukunftsperspektive ein. Die Sorge vor übermäßigem Verzicht und Einschränkungen nehmen wir ernst, wollen den Blick aber vorrangig auf die gesellschaftlichen und individuellen Chancen lenken. Wir unterstützen daher die Entwicklung einer positiven Vision für eine lebenswerte, inklusive und familienfreundliche sozial-ökologische Gesellschaft.

Klima und Umwelt für künftige Generationen schützen

Der Klimawandel und seine Herausforderungen betreffen Familien nicht nur in der Gegenwart, sondern auch ihre Kinder und weitere Generationen in der Zukunft. Unsere Erde mitsamt der biologischen Vielfalt sowie ein lebensfreundliches Klima zu erhalten, liegt in ihrem eigenen Interesse. Je mehr Zeit vergeht, desto stärker müssen die Anstrengungen ausfallen, um nationale wie internationale Klima- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, bei steigenden Kosten.

Sowohl aus dem christlichen Glauben heraus wie aus sozialethischen und politisch-rechtlichen Überlegungen braucht es einen ambitionierten Klimaschutz, den Schutz von Ressourcen, der Biodiversität sowie der menschlichen Gesundheit. Nötig sind dafür vor allem strukturelle Anreize und ordnungspolitische Maßnahmen für umwelt- und klimaschützendes Handeln in allen Lebens- und Gesellschaftsbereichen. Bei Entscheidungen auf allen politischen Ebenen (auf kommunaler, Landes- und Bundesebene)  sind die klima- und familienpolitischen Auswirkungen stets einzubeziehen.

Der Familienbund fordert:

  • politische Maßnahmen, durch die umwelt- und klimagerechte Optionen stets zur leicht verfügbaren und kostengünstigeren Alternative werden. Auf diese Weise kann die Teilhabe aller an einer nachhaltigen Entwicklung gesichert und individuelles ökologisches Handeln wirksam unterstützt werden.
  • den Abbau klimaschädlicher Subventionen und die  Förderung klimafreundlicher Technologien im Einklang mit den Zielen einer sozial gerechten ökologischen Transformation.4
  • eine höhere Besteuerung umweltbelastender Produkte, um die damit verbundenen Folgekosten nicht länger auf die Gemeinschaft und nachfolgende Generationen zu verlagern, sondern sichtbar im Rahmen der Preisgestaltung abzubilden.
  • eine konsequente Förderung erneuerbarer Energien und der dafür nötigen Infrastruktur zur Ermöglichung des verbindlich vereinbarten Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen.
  • die Anerkennung der Endlichkeit der Ressourcen der Erde und der Notwendigkeit des Erhalts von sauberem Wasser, Erde und Luft für alle.
  • die bevorzugte finanzielle Förderung einer Landwirtschaft, die Landschaft, Böden, Ökosysteme und Artenvielfalt erhält.
  • die gezielte Unterstützung von Familien sowie der Zivilgesellschaft in Regionen, die durch den erforderlichen Strukturwandel, z.B. von fossilen Energien und auf übermäßiger Naturnutzung beruhenden Industrien hin zu erneuerbarer Energieversorgung und nachhaltigen Produktionsweisen, in besonderem Maße von wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen erfasst werden.
  • die Rückkehr zu sektorspezifischen Klimazielen im Klimaschutzgesetz, um den Weg zur Klimaneutralität zugunsten der Zukunft von Familien und künftigen Generationen zu beschleunigen.

 

Ökologischen Wandel familien- und sozial gerecht gestalten            

In einer nachhaltigen Gesellschaft müssen bestehende Benachteiligungen abgebaut und eine gerechtere Ressourcenverteilung angestrebt werden, insbesondere zugunsten von Familien und Kindern. Familiengerechtigkeit ist daher ein Grundsatz nachhaltigen Zusammenlebens. Politische Maßnahmen und gesellschaftliche Entwicklungen hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft sind so auszugestalten, dass sie die jeweilige Leistungsfähigkeit sowie das Verursacherprinzip berücksichtigen: Wer mehr zum Klimawandel beiträgt, muss stärker in die Verantwortung genommen werden. Wer aufgrund großer Einkommen und Ressourcen die Transformationsfolgen und -kosten besser schultern kann, braucht weniger Unterstützung und kann stärker  zur Finanzierung der Kosten herangezogen werden.

Der Familienbund fordert:

  • eine klare Familienperspektive in die Nachhaltigkeitspolitik und den Diskurs zurKlimagerechtigkeit einzuführen. Familien sind die zentralen Adressaten und Akteure einer nachhaltigen und generationengerechten Entwicklung unserer Gesellschaft, daher müssen familienspezifische Bedürfnisse, Lebenslagen und Voraussetzungen in der sozial-ökologischen  Transformation besonders berücksichtigt werden.
  • die Prüfung und Beachtung sozialpolitischer Auswirkungen des Klimawandels wie klimapolitischer Maßnahmen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, mit besonderem Augenmerk auf Familien und Menschen mit Sorgeverantwortung.
  • die Konzentration finanzieller Anreize und Förderungen, mit denen insbesondere  nachhaltiges Handeln unterstützt werden soll, vorrangig auf Familien und Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen.
  • die Berücksichtigung  steigender Lebenshaltungskosten im Zuge des Klimawandels und entsprechender politischer Maßnahmen bei den gesetzlichen Anpassungsmechanismen für existenzsichernde Sozial- und Familienleistungen.
  • eine sozial gerechte Verwendung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung, die Familien und Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen finanziell entlastet und gleichzeitig Anreize für die weitere sozial-ökologische Transformation setzt. Dabei ist insbesondere die Einführung eines familienorientierten Klimageldes, etwa durch eine bevorzugte Verteilung an Kinder, eingehend zu prüfen.5
  • finanzielle Hilfen bei besonderen Belastungen zur Abfederung der Kosten klimapolitischer Maßnahmen, insbesondere für Familien mit geringem und mittlerem Einkommen und mehreren Kindern, da diese ein hohes Armutsrisiko tragen.
  • einen sozial gerechten Umbau des Steuersystems, um Familien mit geringen und mittleren Einkommen angesichts kommender Transformationserfordernisse zu entlasten und die sozial-ökologische Transformation gemäß des Leistungs- und Verursacherprinzips zu finanzieren.
  • die gezielte Auseinandersetzung mit sozial-ökologischen Fragestellungen und den Auswirkungen des Klimawandels und der Klimapolitik auch im Rahmen der Familienpolitik.

 

Nachhaltige und attraktive Wohn- und Lebensräume für alle schaffen

Fehlender bezahlbarer Wohnraum ist eine der zentralen sozialen Fragen der Gegenwart, die in besonderem Maße Familien betrifft. Dabei gilt es, den nötigen Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz mit dem besonders in Ballungszentren hohen Bedarf an familiengerechtem Wohnraum, den damit verbundenen Ausbau zugehöriger Infrastruktur und die soziale Verantwortung in Einklang zu bringen. Zusätzlich muss öffentlicher und privater Raum klimafest gestaltet werden.

Der Familienbund fordert:

  • deutliche Anreize zum klimaschonenden Bauen und Sanieren von Wohnungen und Gebäuden. Dazu zählt auch die Prüfung und Überarbeitung bestehender Baubestimmungen, um gezielt ökologisches Bauen, bezahlbares Wohnen und die Schaffung von Wohnraum für Familien zu fördern.
  • eine angemessene finanzielle Förderung von Privathaushalten und Familien, insbesondere mit geringen bis mittleren Einkommen, bei tiefgreifenden klimapolitischen Bau- und Energievorgaben.
  • die Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus unter Berücksichtigung einer ökologischen, gemeinschaftsfördernden und attraktiven Stadt- und Raumgestaltung.
  • eine Stärkung des nicht gewinnorientierten, genossenschaftlich organisierten Bauens, etwa durch steuerliche Vergünstigungen und Abschreibungsmöglichkeiten, das zum nachhaltigen Bauen wie zur Stärkung des sozialen Miteinanders beiträgt.
  • die Anpassung der Gestaltung von Wohnungen, Gebäuden und öffentlichem Raum an den Klimawandel, um besonders vulnerable Gruppen wie Kinder, Schwangere, Ältere und Menschen mit Handicap zu schützen. Dazu gehören u.a. ausreichende Beschattung und Grünflächen sowie die hitze- und klimafeste Gestaltung von Einrichtungen wie Kitas, Schulen, Spielplätzen und Seniorenheimen, die Errichtung öffentlicher Wasserspender und kühler Ruhezonen sowie die Berücksichtigung von Frischluftschneisen und Regenwasserspeichern in der Stadtplanung.

Familiengerechte Verkehrswende voranbringen

Familien sind vielfältig mobil und brauchen eine gute Verkehrsinfrastruktur. Oft sind sie bei ihren Alltagswegen noch auf das Auto angewiesen, besonders, wenn sie am Stadtrand oder auf dem Land leben. Hier liegt ein deutlicher Zielkonflikt zwischen dem notwendigen Klimaschutz und den aktuellen Handlungsmöglichkeiten von Familien. Es braucht den flächendeckenden Ausbau und die Verbesserung des ÖPNV sowie der Radinfrastruktur, damit die Verkehrswende mitsamt der unabdingbaren Verringerung des mobilisierten Individualverkehrs gelingt. Dabei ist von unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Bedarfen auf dem Land und in der Stadt auszugehen.

Der Familienbund fordert:

  • den konsequenten und flächendeckenden Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und der Bahn zu einer kostengünstigen, verlässlichen, leicht verfügbaren, komfortablen und damit gerade für Familien attraktiven Alternative zum Individualverkehr.
  • eine nutzerfreundliche, gut ausgebaute und sichere Radinfrastruktur in der Stadt und auf dem Land, damit Radfahren für alle Altersgruppen eine echte Alternative für Alltagswege wird.
  • die Stärkung von Mobilitätsketten über reine Städteverbindungen hinaus in die Fläche hinein.
  • eine dauerhafte Vereinfachung der bundesweiten Nutzbarkeit und Tarife des ÖPNV und der Bahn sowie Vergünstigungen für Familien bzw. Kinder bei den Ticketpreisen z.B. durch den Erhalt und die Weiterentwicklung des aktuellen Deutschland-Tickets.
  • die möglichst barrierefreie und sichere Gestaltung aller Verkehrswege für Familien, Kinder und Ältere.
  • die Einführung eines Tempolimits von 130 km/h auf Autobahnen.

Bildung für nachhaltige Entwicklung fördern

Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sollte ein tiefgreifendes Verständnis für die Bedeutung von Natur und Umwelt, ihre Verantwortung und ihre Handlungsmöglichkeiten zur Schonung und Erhaltung der natürlichen Ressourcen unserer Erde vermittelt werden. Eine ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Gesellschaft gelingt nur, wenn wir unsere Umwelt kennen und verstehen, uns der Verantwortung für die Schöpfung bewusst sind und uns als Teil davon erkennen.

Der Familienbund fordert daher, die Bildung für nachhaltige Entwicklung verlässlich zu fördern und als Querschnittsthema in formalen wie informellen Bildungsangeboten für alle Altersgruppen zu verankern.

 

 

 

 

 

 

 

1 Vgl. Keine Wende in Sicht. Einkommen & Umweltbelastungen gehen weiter Hand in Hand, UBA 2024, S.7ff.; Klima der Ungleichheit, Oxfam 2023, S.4ff.

2 Insbesondere in der Sozialschrift Laudato Si, 157.

3 Laudato Si, 159.

4Die Studie „Treibhausgaswirkung von Subventionen in Deutschland“ im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima kam im August 2024 zu dem Schluss, dass aktuell Subventionen und Steuernachlässe in Höhe von über 35 Milliarden die Reduzierung von Treibhausgasen verhindern.

5Dies ließe sich sowohl mit Blick auf die für jüngere Generationen zunehmend deutlicher werdenden Folgen des Klimawandels rechtfertigen als auch aufgrund der durch die bisherigen Generationen bereits überwiegend kostenfrei und umfangreich verbrauchten CO2-Emissionsmengen.