Für Familienbund-Präsident Stefan Becker ist das Elterngeld ein Erfolgsmodell. Damit würde auch Familienarbeit finanziell honoriert, sagt er im Interview mit der Katholischen Sonntagszeitung. Dennoch sieht Stefan Becker Politik und Arbeitgeber in der Pflicht, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu verbessern.
Herr Becker, seit zehn Jahren gibt es das Elterngeld. Ist damit eine Erfolgsgeschichte geschrieben worden?
Ja, denn mit dem Elterngeld begann ein Umdenken: es wird nicht länger alleine die Erwerbsarbeit finanziell honoriert, sondern auch die Familienarbeit. Die Geschichte ist aber noch nicht zu Ende erzählt. Das Elterngeld muss weiter ausgebaut und so gestaltet werden, dass es den unterschiedlichen Lebensentwürfen der Familien gerecht wird.
Das Ziel des Elterngelds war es, Beruf und Familie vereinbar zu machen. Die Mutter sollte im ersten Lebensjahr des Kindes ohne größeren finanziellen Druck zu Hause bleiben können, im zweiten Jahr aber wieder ins Berufsleben einsteigen. Dieses Ziel ist laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung erreicht worden – aber sollte Familienpolitik nicht darauf abzielen, der Mutter einen längeren Zeitraum zur eigenen Betreuung ihres Kindes zu ermöglichen?
Zunächst: Nicht nur die Mütter, auch die Väter werden mit dem Elterngeld unterstützt. Der Bezugszeitraum des Elterngeldes wurde schon mehrmals flexibilisiert, zuletzt mit dem Elterngeld Plus. Das können junge Eltern bis zu 28 Monate lang beziehen. Dieser Zeitraum ist jedoch für viele Eltern zu kurz. Der Familienbund fordert deshalb eine Leistung, die Mütter und Väter während der gesamten dreijährigen Elternzeit wirtschaftlich absichert. Sie sollen ohne größeren finanziellen Druck ihre Kinder in den ersten Jahren selbst betreuen können.
Seit Einführung des Elterngelds nehmen auch Väter verstärkt Elternzeit in Anspruch. Ist hier ein Wandel in der Rollenverteilung erkennbar?
Männer wollen sich heute viel stärker als früher bei der Kindererziehung engagieren und mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Das Elterngeld hat ganz klar Anreize für eine partnerschaftliche Aufteilung der Erziehungsverantwortung geschaffen. Seit Einführung der Leistung ist die Väterbeteiligung konstant gestiegen, inzwischen bezieht jeder dritte Vater Elterngeld. Die meisten allerdings nehmen nur die zwei „Partnermonate“ in Anspruch. Viele fürchten immer noch Nachteile im Beruf, wenn sie länger Elternzeit nehmen. Hier sind die Verantwortlichen in den Betrieben weiter gefordert, Barrieren abzubauen.
Familienministerin Ursula von der Leyen wollte mithilfe des Elterngelds die Geburtenrate steigern. Diese Steigerung hält sich aber bislang in Grenzen. Was wäre wirklich nötig, damit Familien wieder mehr Kinder bekommen?
Erst einmal ist es schön, dass wieder mehr Kinder zur Welt kommen. Mit Geld allein aber lässt sich keine Geburtenrate nachhaltig steigern. Um das zu erreichen, brauchen wir in unserem Land vor allem ein kinderfreundlicheres Klima, eine familiengerechte Unternehmenskultur und qualitativ bessere Betreuungsinfrastrukturen. In Politik und Wirtschaft muss ein Bewusstsein dafür entstehen, dass Familienarbeit und Erwerbsarbeit gleich wichtig für unsere Gesellschaft sind. Erst dann bekommen junge Menschen wieder alle Kinder, die sie sich wünschen, ohne Nachteile befürchten zu müssen.
Interview: Victoria Fels/Katholische SonntagsZeitung & Neue Bildpost